Verschiffung

Am 23.11.2001 ist es so weit. Das Auto wird im Hamburger Freihafen verschifft. Alles läuft reibungslos. Wir haben einen nagelneuen 40 Fuß-Container. Eigentlich hätten wir bei dieser Länge noch ein zweites Auto mitnehmen können aber wir brauchen eine lichte Höhe von 2,5 Metern im Container. Schnell war das Auto gelascht und mit Kanthölzern gesichert. Nachdem der Container versiegelt war, fiel uns der berühmte Stein vom Herzen. Von ein paar Kleinigkeiten abgesehen, war nun unser gesamtes Hab und Gut für ein Jahr verschifft. Drei Wochen soll der Transport dauern. Wir werden in Goa auf das Schiff warten und sind sehr gespannt, ob alles heil ankommen wird.

Abschied

Reisen heißt auch Abschied zu nehmen. Am 4.12.2001 haben wir uns von unseren Freunden, Kollegen und Familien im Rahmen einer sehr netten Feier verabschiedet. über 250 Gäste fanden den Weg in die Firmenräume von Berkom nach Berlin, dem bisherigen Arbeitgeber von Andreas.

Schon an den Vortagen erreichten uns per Mail und Post viele nette Worte des Abschieds. Wir hatten das Gefühl, für viele die lebende Form ihrer eigenen Wünsche und Träume zu sein. Nette Geschenke und Aufmerksamkeiten sollten uns den weiten Weg über die Seidenstrasse versüßen. Sogar eine 30 Jahre alte Afghanistan-Karte war dabei. Die Trennung von seinem guten Stück viel dem ehemaligen Weltenbummler sichtlich schwer, kam aber von Herzen.

Ankommen in Delhi (12.12. bis 16.12.2001)

Diverse Reiseführer hatten uns schon vorgewarnt: Indien ist kein einfaches Reiseland. Schönheiten und Scheußlichkeiten liegen derart nah beieinander. Bezaubernde Landschaften, großartige Denkmäler, märchenhafte Paläste und friedvolle Religiosität aber auf der anderen Seite auch Dreck, Bettler, Menschenmassen, Umweltverschmutzung und religiöser Fanatismus.

Mit der Ankunft in Delhi erleben wir für 4 Tage dann auch gleich diese Gegensätze. Delhi ist eine Stadt mit 12 Millionen Einwohnern, bettelnden Kindern an Straßenkreuzungen, unerträglich lautem und stinkendem Verkehr, sehr scharfem Essen, Mausoleen, Palästen, Kolonialbauten und Moscheen, urigen Straßenmärkten, Händlern, Rikschas, Kühen und Schweinen auf der Straße, Gewürzdüfte und Uringestank überall.

Diese Stadt ist geprägt von zwei ganz unterschiedlichen Stadtteilen. Old Delhi diente den Moguln vom 12. bis zum 18 Jh. als Hauptstadt, was sich in imposanten Bauwerken wiederspiegelt. Die großen Weltreligionen haben an vielen Stellen ihre Spuren hinterlassen. Man findet aber auch die engen, verwinkelten Altstadtgassen voller kleiner Geschäfte, Märkte, wo Menschen in den Ecken schlafen, kochen oder bettelnd hinter einem herlaufen. New Delhi mit den weitläufigen Alleen, großzügigen Parkanlagen und modernen Verwaltungsgebäuden wirkt dagegen wesentlich nüchterner.

Unsere Stadtbesichtigung führt uns auch in das Regierungsviertel, wo 15 Minuten nach unserem Besuch das Attentat auf das indische Parlament, mit inzwischen 14 Todesopfern, stattfand. Seitdem werden hier in Indien der 11. September und der 13 Dezember in einem Atemzug genannt. Nun hat uns die Weltpolitik ein zweites Mal eingeholt, denn wir ahnten sofort, dass diese Aktion nicht ohne Folgen für unseren weiteren Reiseverlauf sein wird.

Warten in Goa (16.12. bis 28.12.2001)

Weiter geht es mit dem Flugzeug an die Küste im Südwesten Indiens. Palmen, Strand und Meer versüßen uns hier die Wartezeit auf unseren Container. In Benaulim, einem kleinen Ort im Süden Goas, der vom Tourismus noch nicht so überlaufen ist, relaxen wir nach der doch sehr stressigen Endphase unserer Reisevorbereitungen.

Goa ist eine Region, die durch die Kolonialherrschaft der Portugiesen geprägt ist. Mediterranes Flair und weiß gekalkte christliche Kirchen sind Zeugnisse dieser Zeit. Die Weihnachtszeit erleben wir hier mit Verkaufsständen von Weihnachtsschmuck und Krippenfiguren. Unter Palmen ein ungewohnter Anblick.

Containermarathon in Mumbai (29.12. bis ???)

Nun startet die heiße Phase, unseren Geländewagen in Empfang zu nehmen. Zum Glück sind wir schon einige Tage vor dem geplanten Ankunftstag am 31.12.2001 vor Ort. Die Schiffsagentur finden wir wegen der sehr lückenhaften Stadtpläne und unwissenden Taxifahrer nur mit einer sehr engagierten und freundlichen Polizeiunterstützung. (wenn wir da an unseren Kontaktbereichsbeamten in Berlin denken.....).Bei der aus Hamburg empfohlenen Agentur angekommen, sieht man sich dort als nicht zuständig an, weil man keine Lizenz für die Zollabfertigung hat. Man schickt uns also weiter. Die zweite Agentur vertröstet uns auf Montag zur üblichen Büroöffnungszeit um ca. 10.30 Uhr (!). Ob unser Schiff mit unserem Container nun wirklich am 31.12.2001 ankommt, konnte uns bisher niemand bestätigen. Wir verlassen uns hier auf das Internet, mit dem Containertracking System. Der Silvestertag wird für uns spannend.

Containermarathon - die Zweite (04.01.2002)

Die letzten Tage waren von einer gewissen Unsicherheit geprägt. Unser Container war am 1. Januar im Hafen nicht auffindbar und die französische Reederei CMA zog es auch eher vor, die Feiertage zu verbringen, als Kundenprobleme zu lösen. Kurzum: keiner konnte uns sagen, wo der Container abgeblieben ist. Das Containertrackingsystem im Internet zeigte auch deutlich, dass Cyberspace und Realität nicht identisch sein müssen. Heute kam nach über 30 Mails und Telefonaten die traurige Gewissheit. Unser Container ist beim Umladen in den Vereinigten Arabischen Emiraten einfach vergessen worden und steht dort seit dem 21.12. im Hafen herum. Das nächste Schiff legt dort am 8.01. an und kann frühestens am 12.01. in Mumbai sein. Während der Zwangspause werden wir einige interessante südlich gelegene Küstenabschnitte besuchen, um am 12.01. den zweiten Anlauf im Containermarathon zu nehmen. Die goldene Zitrone für die Behinderung unserer Reise geht als Wanderpreis eindeutig als erstes an die französische Reederei CMA-CGM. Andere Weltenbummler können wir an dieser Stelle wegen des schlechten Kundenservice im Problemfall vor dieser Linie nur warnen.


Warten auf den Container

 

Geschafft!!! (15.01.2002)

Wir können es kaum glauben. Am 12.01. ist unser Container mit der Charlotte Schulte, einem sogenannten Feederschiff, in Nhava Sheva, dem Hafen von Mumbai eingelaufen. Am Sonntag wurden die Container entladen, und auch wir kamen zum zweiten Mal nach Mumbai, nachdem wir 160 km südlich in dem absolut ursprünglichen Fischerdorf Murud das indische Dorfleben (mit Familienanschluss) genossen haben. Keine Touristen weit und breit und damit auch keine negativen Einflüsse, wie an anderen Orten. Niemand wollte uns mit den Worten "Come to my shop, nice things, very cheap" in sein Souvenirgeschäft ziehen oder uns eine angeblich wesentlich bessere Unterkunft verschaffen. Statt dessen fanden wir sehr liebenswerte und wirklich uneigennützig hilfsbereite Menschen, die uns das Leben in Indien nahe gebracht haben. Ein sehr nettes Beispiel war das täglich wechselnde typisch indische Frühstück. Die ganze Bandbreite unserer Geschmacksnerven wurde dabei getestet. Natürlich erst, nachdem man uns einen indischen Milchtee ans Bett gebracht hatte. Absolut super!


Fischauktion

Fort Janjira

Aber nun zurück zur harten Realität. Andere Globetrotter hatten auf die Unterstützung einer Clearingagentur verzichtet und brauchten vier Wochen, um ihr Auto aus dem Zoll zu bekommen. Zuerst hielten wir diesen Bericht für einen Scherz, doch das sehen wir nun mit anderen Augen. Alles fing ganz harmlos damit an, dass die Echtheit unserer vom ADAC ausgestellten Zollpapiere (Carnet de Passage) angezweifelt wurde. Eine schriftliche Rückbestätigung für den indischen Automobil-Club musste her, der wiederum an den indischen Zoll eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt hat. Anschließend haben wir zwei ganze Tage mit der Unterstützung von drei Mitarbeitern der Clearingagentur gegen die indische (Zoll-)Bürokratie gekämpft. Nach unendlich vielen Tassen Tee und genau so vielen Besuchen bei den unterschiedlichsten Zollbeamten, waren wir besonders von der Registratur "beeindruckt". Gebündelte Aktenberge bis unter die Decke, wie bei der Altpapiersammlung. Leider darf man keine Fotos machen. Computer haben wir keinen einzigen gesehen, und die Entwicklung einer Formblattkultur hat man in Indien auch nicht nachvollzogen. Am nettesten war der Besuch bei der Kriminalpolizei. Hier sollte bestätigt werden, dass wir keine von Interpol gesuchten Personen sind oder staatlich anerkannte Schmuggler von Drogen, Gold oder Autos. Computer und Personenlisten werden hier durch einen tiefen Blick in unsere treu daherschauenden Augen kompensiert.


Zollhafen

Nach den zwei Tagen Rennerei hatten wir unsere 15 (!) Unterschriften zusammen und unendliches Glück, nicht an einer Teevergiftung gestorben zu sein oder unter einer Aktenlawine in einem der netten spartanischen Büros zu verschwinden. Und alles läuft nach ISO 9002, wie uns ein fünf Meter langes Schild am Eingangstor versicherte. Egal - auch solche Erlebnisse gehören zum Kennenlernen eines Landes dazu. Wir haben den heiß ersehnten Zollstempel im Carnet, sind um ca. 750 , teilweise als "Beschleunigungsgeld" ärmer und können uns nun in Richtung Rajasthan aufmachen, um alte Karawanenstädte in der Wüste Thar zu besuchen. Die ersten 50 Kilometer vom Hafen zum Hotel haben wir auch unfallfrei überstanden, obwohl das Verkehrschaos alles in den Schatten stellt, was wir bei anderen Reisen in Kairo oder Athen gesehen haben. Rückspiegel und Blinker sind wertlos. Wichtigstes Teil am Auto ist die Hupe.

Auf nach Rajasthan (19.01.2002)

Warum Rajasthan? Diese sehr schöne Region Indiens wurde viele Jahrhunderte durch die Herrschaftshäuser der Maharajas und Moguln geprägt. Dieses sogenannte Land der Königssöhne erweckt wie keine andere Region Phantasien aus Tausendundeiner Nacht. Unendliche Wüstenlandschaften mit ihren Karawanenstädten bildeten auch einen Seitenarm der Seidenstrasse, um Zentralasien mit der heute unbedeutenden Hafenstadt Bharuch in Gujarat am arabischen Meer zu verbinden.

Eigentlich haben wir ja etwas gezögert. Die politischen Spannungen zwischen Pakistan und Indien haben den Westen Rajasthans inzwischen zum Truppenaufmarschgebiet der indischen Armee werden lassen und wir wollen uns schließlich nicht nebenbei als Kriegsberichterstatter betätigen. Das Kriegsgeschrei der Politiker ist zum Glück inzwischen etwas diplomatischer geworden, so dass wir unseren alten Plan, nach Rajasthan zu fahren, umsetzen werden. Mal sehen, wie weit wir kommen. Schnell ein Abschiedsbild kurz vor Sonnenaufgang am Gateway of India und dann versuchen(!) wir Mumbai in Richtung Norden zu verlassen.


Gateway of India

Karten und GPS sind in dem Wirrwarr dieser 14 Millionenstadt nur bedingt hilfreich und der Verkehr stählt fürs Leben. Zum Schluss haben wir einen Taxifahrer gebeten, uns zur richtigen Ausfallstrasse zu geleiten. Ein Blick auf unseren GPS hat uns eine relativ geringe Entfernung von ca. 800 km angezeigt, die man unter deutschen Bedingungen in einer Tagesetappe hinter sich gebracht hätte. Nicht so in Indien - hier teilen sich die Landstrassen zum größten Teil uralte, völlig überladene LKW, Mopeds, Roller, Motorrikschas, Pferde-, Ochsen- und Kamelfuhrwerke, Arbeitselefanten, Handkarren, Fußgänger und überraschend wenige Autos. Dazwischen die wilden Hunde, Viehherden und die berühmten heiligen Kühe. Und alles kann zu jedem Zeitpunkt und aus jeder Richtung vor der eigenen Kühlerhaube auftauchen. Bei Dunkelheit bekommt das Ganze Geisterbahncharakter, da einige Autos erst kurz vor dem Beinahezusammenstoss das spärliche Licht einschalten.


Indien mobil

Bei allem Chaos, funktioniert der Verkehr nur durch eine erstaunliche Bereitschaft aller, für die Anderen mitzudenken und nicht auf die eigenen Rechte zu bestehen. Man verständigt sich durch Handzeichen aus den Seitenfenstern und durch Hupen bevor man überholt. Bremslichter funktionieren grundsätzlich nicht, und geblinkt wird auch nicht. Der Beifahrer hat den verantwortungsvollen Job, beim Überholen den Gegenverkehr einzuschätzen, weil der Fahrer bei Linksverkehr auf der falschen Seite sitzt. Nach drei sehr anstrengenden Tagesetappen haben wir es geschafft und als erstes Ziel Udaipur erreicht.


Angekommen in Rajasthan

 

Udaipur (20.01.2002)

Die elegante Schönheit verdankt diese Stadt dem harmonischen Zusammenspiel von Altstadt, Palastgebäude, dem See und der Bergkulisse und wird auch "Venedig des Ostens" genannt. Erfolgreiche Hollywoodfilme wie "Der Tiger von Eschnapur" und "Octopussy" wurden hier gedreht.


Udaipur

Udaipur Inselpalast

Bedingt durch die politische Situation sehen wir erstaunlich wenig Touristen in der Stadt, die zu den meist besuchten Orten Rajasthans gehört. Bei einer Besichtigung des Stadtpalastes und den beiden inmitten des Sees jeweils mit einem Palast bebauten Inseln können wir uns von der Pracht der Maharajas und dem damaligen luxuriösen Lebensstils beeindrucken lassen. Auch wir nutzen die Zeit hier zum Relaxen, Bummeln durch die Altstadt und Erkunden der Umbebung bevor es wieder weitergeht.


Relaxen

Mount Abu (24.1.2002)

Durch bergige, teilweise sehr trockene Landschaften fahren wir weiter nach Kumbhalgarh, der zweitgrößten Festung Rajasthans, die wie ein Vogelhorst in 1200 m Höhe liegt und von spektakulär dicken Mauern umgeben ist. Auf dem Weg dorthin sehen wir Wanderschmiede, ochsenbetriebene Bewässerung für die Landwirtschaft, ausgetrocknete Flüsse und bunt gekleidete Frauen auf den Feldern.


Festung

Unterwegs

Bevor wir Mount Abu ansteuern, besuchen wir noch den Jain-Tempel in Ranakpur. Shiva ist uns an diesem Tag wohl gesonnen. Unser erster Autounfall geht für uns ohne nennenswerten Schaden ab. Ein indischer Kleinbus schrammt beim Entgegenkommen an unseren Sandblechen entlang und wird von den ösen von vorne bis hinten aufgeschlitzt. Wie es bei solchen Unfällen ist, trägt jeder seinen Schaden selbst.


Ranakpur

Mount Abu liegt in 1200 m Höhe und war wegen des angenehmen Klimas die Sommerresidenz der Maharajas und später eine beliebte Hillstation der Engländer. Idyllisch gelegen mit dem Nakki-See, den Burgen und der Bergkulisse ist Mount Abu wegen der romantischen Atmosphäre ein bevorzugtes Reiseziel von frisch vermählten Paaren, deren Familien entschieden haben, dass eine Heirat zweckmäßig ist. Die Tage in Mount Abu dienen dann der persönlichen Annäherung, in der Hoffnung, dass die Eltern die richtige Wahl getroffen haben. Noch heute haben in Indien die füreinander Bestimmten durchschnittlich drei Monate Zeit, sich näher kennen zulernen (oder die "Notbremse" zu ziehen, was sicherlich schwerwiegender Argumente bedarf). Mont Abu ist aber auch wegen seines Dilwara Jain-Tempels als Pilgerort bekannt, der aus fünf einzelnen Tempeln besteht, die alle aus weißem, fast durchsichtigem Marmor erbaut wurden.

Unser Camp ist schnell im Park des ehemaligen Sommerpalastes eines Maharajas aufgeschlagen. Der heutige Besitzer zögert zunächst, kann aber von unserem ungewöhnlichen Plan überzeugt werden.

Die anschließende Stadtbesichtigung mit dem bunten Treiben der Hochzeitspaare unter Familienaufsicht ist sehr interessant und wir wagen einen erneuten Versuch in einem Internet-Cafe. Die Atmosphäre ist nicht gerade einladend, denn ein alter Mann lag krank auf einer Pritsche neben dem Rechner und am Boden läuft eine große Ratte herum. Außerdem bricht die Verbindung alle paar Minuten zusammen. Wir geben sehr schnell entnervt auf.

Khuri (27.01.2002)

Nach 500 Kilometern Landstraße durch die Weiten der Wüste Rajastans erreichen wir die kleine Oase Khuri in der Nähe der pakistanischen Grenze. Ein nettes Quartier ist sehr schnell gefunden und wir beziehen eine der insgesamt drei Lehmhütten an einem Lagerfeuerplatz, umrundet von einer Schutzmauer. Um uns herum laufen einige Dutzend Kamele, Ziegen, Rinder und Hunde, die sich in der Dämmerung um die besten Futterplätze streiten. Alles macht einen sehr beschaulichen Eindruck. Man verwöhnt uns am Abend mit typischen, natürlich sehr stark gewürzten vegetarischen Gerichten. Mit dem Lehrer des Ortes freunden wir uns sehr schnell an, und er erklärt sich spontan bereit, uns an seinem freien Sonntag durch Khuri zu führen. Das macht die Sache für uns sehr einfach, da ein Lehrer hier durchaus noch eine Respektsperson ist. Ein strenger Blick von im genügt, und die üblichen Bitten der Kinder nach Rupies und Schokolade verstummen sofort. So lernen wir nach und nach das wirkliche Dorfleben und seine wichtigsten Bewohner kennen. Wir besuchen den Töpfer, den Steinmetz, den kleinen Laden und die Wasserstelle, von der die Frauen in Krügen das Wasser einige hundert Meter in ihre Hütten tragen.


Frauen beim Wasserholen

Höhepunkt unserer Tour wird der Besuch des Nachbarortes. Hier leben 40 Familien wie vor 100 Jahren ohne Straßenanschluss, Strom oder sonstigen Annehmlichkeiten des modernen Lebens. Einfach wird der Weg dorthin jedoch nicht. Links und rechts unserer Piste trainieren schwer bewaffnete Soldaten mit Panzern für den Krieg, und ein Militärposten verwehrt uns die Weiterfahrt. Diskussion zwecklos! Vor lauter Angst, eine staatlich verordnete Zwangspause einlegen zu müssen, haben wir schweren Herzens auf die sicherlich spektakulären Fotos für die Website verzichtet. Es bleibt uns nur übrig, das Sperrgebiet weiträumig zu umfahren und den direkten Weg über die hohen Sanddünen zu nehmen. Mit etwas Übung aus der Sahara und reduziertem Reifenluftdruck ist das zu schaffen.


Dünenlandschaft

Festgefahren

In Neemb ki Dhani angekommen, besuchen wir eine Familie, die gerade heute Nachwuchs bekommen hat. Im Innenhof von fünf Lehmhütten ist der Großvater damit beschäftigt, nach alten, überlieferten Rieten, einen Namen für den Jungen zu finden. Die Eltern haben hierbei kein Mitspracherecht und wir dürfen den feierlichen Moment miterleben, an dem erstmals der Name des Jungen den Eltern mitgeteilt wird. Übrigens ist es dem Vater erst neun Tage nach der Geburt gestattet, Frau und Kind zu sehen. Wir sitzen noch einige Zeit in der Hütte, trinken aus Höflichkeit auch den selbst gebrannten Schnaps und diskutieren über die politische Lage und die Ängste der Wüstenbewohner, durch die große Militärpräsenz ihre übliche Freiheit einzubüßen. Nachts herrscht Ausgangssperre und die mehrtägigen Kameltouren in die Wüste sind ebenfalls verboten.

Sehr interessant ist die Hausbautechnik dieser sogenannten Jhoopa. Ein Gemisch aus Lehm, Steinen und getrocknetem Kuhdung bilden Schicht für Schicht eine Mauer, die anschließend mit einem Strohdach versehen wird. Die Isolation gegen Wärme ist phantastisch und der Kuhdung hält durch die Ausdünstungen die Moskitos fern.


Grundmauer

Dachkonstruktion

Ein erlebnisreicher Tag nimmt mit dem üblichen schönen Sonnenuntergang seinen Abschied. Der Abend beschert uns noch eine spontane Familienfeier mit Folkloremusik und Tanz. Die indischen Frauen machen sich einen Spaß daraus, Ute einen Shari anzuziehen und den typischen Bindi auf die Stirn zu kleben.


Ute im Shari

Indien hat sehr viele Gesichter, die es abseits der Touristenpfade zu entdecken gilt.

 

Jaisalmer (29.01.2002)

Die Wüstenstadt hatte viele Jahrhundete als Kreuzungspunkt der Karawanenwege mit Anschluss an die Seidenstraße eine große strategische und wirtschaftliche Bedeutung. Sie stand immer im Brennpunkt kriegerischer Übergriffe und wurde deshalb mit wehrhaften Mauern auf einem Felsen angelegt. Die Altstadt wirkt mit ihren alten, sehr gut erhaltenen und reichlich verzierten Handelshäusern (den sogenannten Havelis) noch heute wie ein Freilichtmuseum aus Tausendundeiner Nacht. Auch die offene Kanalisation ist original und setzt ihre authentische Duftmarke. Beim Rundgang gibt es viel zu entdecken. Neben dem ehemaligen Herrscherpalast befinden sich in dem Fort Wohnhäuser, kleine Hotels, ein Jain-Tempel und Restaurants.


Fort

Havelis

Jaisalmer ist überflutet von Soldaten. Vor der Stadt stehen die vielen LKW, Jeeps und Motorräder. Auf Grund seiner strategisch günstigen Lage (60 km bis zur pakistanischen Grenze) hat Jaisalmer seit einiger Zeit einen Militärstützpunkt, der wegen der politisch angespannten Situation jetzt natürlich total frequentiert ist.


Indien oliv

Nationalparks (02.02.2002)

Alte Städte, Basare, Paläste, Festungen und Tempel haben wir nun genug gesehen. Entgegen der typischen Touristenroute durch Rajasthan, fahren wir an der blauen Stadt Jodhpur und der pinken Stadt Jaipur vorbei. Beides Millionenstädte, die uns inzwischen eher abstoßen. Wir ziehen es vor, die Natur Indiens zu erleben und steuern zwei Nationalparks an. Nach 500 Kilometern Landstraße erreichen wir im Dunkeln den Sariska Nationalpark. Wir freuen uns bei Nachtfahrten besonders über die zusätzlichen Halogenscheinwerfer, um die schon beschriebenen chaotischen Verkehrsverhältnisse etwas aufzuhellen. Der Sariska Nationalpark ist ein ehemaliges Jagdrevier der Maharajas, indem heute das „Projekt Tiger„ realisiert wird. Tiger, Leoparden, Sambahirsche, Schakale, Füchse, Antilopen und viele Wasservögel sind hier beheimatet. Besonders häufig trifft man auf Indiens Nationalvogel, den Pfau. Von Tiger und Leopard haben wir leider nur deren Hinterlassenschaften in Form von Fußspuren, Exkrementen und frisch erlegtem Wild gesehen. Allein die Landschaft und die vielen anderen Tierarten haben uns begeistert.


Wasserstelle

Als ein Highlight auch für Nichtornithologen erkunden wir anschließend den Keoladeo Nationalpark, eines der mit 370 Vogelarten und über 100 Zugvögeln bedeutendsten Vogelschutzgebiete der Erde. Wir können den sibirischen Kranich, der vom Aussterben bedroht ist und diverse andere Wasservögel aus nächster Nähe beobachten. Etwas abseits der Wege stoßen wir auf zwei Pythonschlangen, die zum Häuten aus ihrer Höhle gekommen sind.

Nepper, Schlepper, Touristenfänger (04.02.2002)

Eigentlich hätte der Ausflug zum Taj Mahal, einem der berühmtesten Baudenkmälern der Erde, eine bessere überschrift verdient. Unser siebenter Sinn hatte uns schon gewarnt, mit dem eigenen Auto in das 60 Kilometer entfernte Agra zu fahren, so dass wir einen der zugigen "bone shaker" Busse nehmen. Man ist gut beraten, auf den hinteren Plätzen zu sitzen, um eine größere Knautschzone bei einem der vielen Unfälle zu haben. In Agra angekommen, kämpfen wir uns durch eine unbeschreiblich aufdringliche Horde von Rikscha-Fahrern, Taxis, Schleppern, selbst ernannten Tourist Guides und Straßenverkäufern von allerlei nutzlosem Plunder. Eine sehr aggressive Stimmung mit allerlei Handgreiflichkeiten. Endlich am Taj Mahal angekommen, erleben wir die nächste Überraschung. Der Eintrittspreis ist mit 750 Rupies über 35 mal höher als für indische Besucher. Immerhin soll die Eintrittskarte auch für das Fort und andere Sehenswürdigkeiten gelten, was sich später als falsch herausstellt. Hier will man noch einmal abkassieren.

Das Taj Mahal wurde nach 22 Baujahren 1653 fertiggestellt. Ein Mogulherrscher widmete dieses Bauwerk seiner verstorbenen Frau. Das Mausoleum aus Marmor liegt in einem riesigen Park mit zwei Moscheen. Alles symmetrisch angelegt und die Marmorfassaden sind mit diversen Ornamenten versehen. Insgesamt ein sehr beeindruckendes Bauwerk mit einer erhabenen Stimmung.


Taj Mahal

Richtung Himalaya (06.02.2002)

In einer Gewaltetappe geht es an Delhi vorbei Richtung Norden. Wir wollen endlich in die Berge, die uns mit einem nasskalten Klima begrüßen. Erstmals seit beinahe zwei Monaten sehen wir Wolken am Himmel und spüren einige Regentropfen. Ein komisches Gefühl. Immerhin - unser Auto wird gewaschen. Die Bergetappen sind sehr anstrengend und wir schaffen maximal 150 Kilometer am Tag. Ab einer Höhe von 2000 Metern wird der Dieselmotor auch schon etwas schlapper. Mal sehen, wie wir bei größeren Höhen im Himalaya klar kommen. Wir werden auch vor einer Reifenpanne nicht verschont. Am ungünstigsten Punkt einer ansteigenden Passstrasse bleiben wir stehen. Busse und LKWs fahren dicht an uns vorbei, was den Reifenwechsel nicht gerade erleichtert. Zum Glück helfen uns ein paar indische LKW-Fahrer und es geht weiter in Richtung Dharamsala, dem Exilsitz des Dalai Lama.


Reifenwechsel

Richtung Himalaya

Online Reisen (08.02.2002)

Uns haben inzwischen einige Bitten erreicht, dass wir etwas mehr von unserem typischen Reisealltag schildern sollen. Bisher wollten wir die Besucher unserer Website nicht unbedingt mit zu persönlichen Berichten belasten - es scheint dennoch von Interesse zu sein. So werden wir in losen Abständen einige spezielle Themen aufgreifen und in den Reisebericht integrieren.

Heute wollen wir schildern, wie wir diese Website mit Informationen versorgen und Verbindung mit der Außenwelt halten. Andreas ist mit seiner langjährigen Tätigkeit im Forschungs- und Entwicklungsbereich bei einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom beruflich etwas vorbelastet. Sein Vorschlag, eine Website einzurichten, wurde zunächst zwischen uns kontrovers diskutiert, da wir von vornherein wussten, dass es sicherlich sehr viel Arbeit machen wird, zusätzliche Ausrüstung erforderlich ist und der größte Teil unserer Reiseroute „IT-Niemandsland„ sein wird. Wir wollten es wagen und schließlich war für uns das Argument überzeugend, unsere Freunde, Bekannte und Verwandte möglichst zeitnah an unseren Reiseerlebnissen teilhaben zu lassen.

Wie sieht das nun in der Praxis aus? Mit Thom Brenner und seiner kleinen Hightech Firma bit~side haben wir in Berlin einen Mitstreiter gefunden, der auch großes Interesse an der Entwicklung und Erprobung neuer Onlinelösungen hat. Zwar ist unsere Website kein „multimediales Feuerwerk„ der Onlinegestaltung (Flash, Audio usw.). Die wirkliche Innovation steckt in der kleinen unscheinbaren - mit der Maus frei navigierbaren - Routenkarte, auf die wir unsere zunächst mit einem Satellitenhandy exakt bestimmte Position direkt per Kurzmitteilung übertragen.

Das Satellitentelefon ist ebenfalls brandneu auf dem Markt und nicht viel größer als ein normales Handy. Man kann es für Telefongespräche sowohl über Satellit als auch über klassische Handynetze verwenden und das alles mit einer Rufnummer und einer Mobilbox, wie man sie vom heimischen Handy her kennt. Die Sprachqualität ist übrigens absolut Spitze und das alles für vergleichbar wenig Geld (Gerät ca. 1100 Euro, keine Grundgebühr und pro Verbindungsminute ca. 1 Euro). Der Satellit gehört den Vereinigten Arabischen Emiraten (www.thuraya.com), die auch den Dienst betreiben. Für unsere Onlinebeiträge nutzen wir eine Digitalkamera und einen Laptop zur Datensicherung. Geschrieben wird abends an den ungewöhnlichsten Stellen (im Dachzelt oder wenn es sehr kalt ist sogar im Bett - der Laptop dient dann auch als Wärmflasche).


Online mit klammen Fingern

Wir haben außerdem inzwischen über 1500 Bilder gesammelt, die wir aus Sicherheitsgründen von Zeit zu Zeit auf eine CD brennen. Die Übermittlung der Daten erfolgt größtenteils in Internetcafes, was wegen der schlechten Onlineverbindungen und z.T. veralteten Infrastruktur eine sehr große und nicht gerade billige Geduldsprobe ist. So haben wir inzwischen auch eine wirklich beeindruckende Sightseeingtour durch indische Internetcafes hinter uns. Ständige Stromausfälle oder echte Katakomben mit Ratten sollen hier nur beispielhaft genannt werden.


Ruinen ans Netz

Aber das Alles machen wir sehr gern, da wir über die mitgezählten Zugriffszahlen ein sehr großes Interesse an unseren Berichten feststellen.

Dharamsala (13.02.2002)

Nach einer Tagesetappe von 160 Kilometern und kaum zu zählende „Spontanbegegnungen„ mit zwar klapprigen aber dennoch rasenden Bussen und Trucks auf der Bergstrasse kommen wir in Dharamsala heil an. Seit 1960 haben sich hier und im 600 Meter höher gelegenen McLeodGanj hunderttausende geflüchteter Tibeter mit ihrer Exilregierung und dem Dalai Lama auf Einladung der indischen Regierung niedergelassen. Wir haben das Gefühl, mitten aus Indien heraus in Tibet gelandet zu sein. Ringsherum die schneebedeckten Vorberge des Himalaya.


Markt in McLeodGanj

Mönche im Tempel

Der Empfang ist hier allerdings weniger herzlich, da uns ein betrunkener Tibeter gleich an den Kragen gehen will, weil wir aus Versehen unser Auto auf sein Land gestellt haben. Man kann eben nicht nur nette Leute treffen und mit großer Mühe finden wir bei Dunkelheit einen neuen Standplatz. Alles ist zugebaut oder total abschüssig. Mit Geländegang und Differentialsperren stehen wir nun mit über 10 Grad Gefälle etwas atemberaubend. Mal sehen, ob wir da wieder wegkommen, denn der Hang hat sich durch die Schnee-, Hagel- und Regenfälle in eine Rutschbahn verwandelt. Durch den Sturm war der Ort auch einen Tag (und eine sehr kühle Nacht) stromlos. Kein Licht, keine Heizung und im Auto können wir auch nicht schlafen, da wir bei dieser Schräglage herausrollen würden. Wir kommen bei zwei sehr netten Männern aus Kaschmir in einem kleinen Guesthouse unter und erfahren aus erster Hand, was der Kaschmirkonflikt für viele Menschen persönlich bedeutet. Sie sind Flüchtlinge im eigenen Land und bekommen bei weitem nicht soviel Aufmerksamkeit wie die Tibeter. Unser erster Spaziergang gilt dem Namgyal-Kloster mit seiner Gebetshalle, in der zuweilen der Dalai Lama religiöse Zeremonien abhält. Hier nehmen wir auch einige Tage später - am 13.02. - an dem tibetischen Neujahrsfest teil. Man fühlt sich wie am Silvestertag mit dem obligatorischen Feuerwerk und Girlanden. Mönche und Nonnen wünschen uns ein glückliches Neues Jahr und schenken uns einen sehr hübschen, aus Wachs geformten Glücksbringer.


Tibetisches Neujahrsfest

An einem wunderschönen Sonnentag erkunden wir die umliegenden Berge mit einer leichten Eingehtour über 800 Höhenmeter. Leider müssen wir 300 Meter vor dem Gipfel umkehren, da die Schneeflächen zu instabil sind. Wir wollen schließlich nicht schon hier unsere Reise unsanft beenden. Unser Gastgeber aus Kaschmir will uns mit seinen einzigen Halbschuhen (Slipper) auf diese Tour begleiten. Wir trauen unseren Augen nicht und verpassen ihm wenigstens Utes Turnschuhe.

Nach fünf sehr erlebnisreichen Tagen verlassen wir McLeodGanj in Richtung Spiti, einem ehemaligen Königreich im Himalaya. Wir wissen noch nicht, ob wir da tatsächlich ankommen werden, da die einzige Zufahrtsstraße seit zwei Wochen wegen der heftigen Schneefälle gesperrt ist. Mal sehen wie weit wir kommen.

Skibergsteigen in Manali (16.02.2002)

Unsere Vorfreude auf Spiti fand ein jähes Ende, als wir uns unterwegs telefonisch nach den Straßenverhältnissen erkundigen. Wegen der heftigen Schneefälle ist die Passstraße immer noch geschlossen und Spiti seit über drei Wochen von der Außenwelt abgeschnitten. Also ändern wir unseren Plan und fahren nach Manali, wo es ein kleines Skigebiet gibt. Das soll sich später jedoch als leichte Übertreibung herausstellen, denn der einzige, sehr kurze Lift ist außer Betrieb und ein paar Skitouristen schleppen ihre Ski auf einen kleinen Hügel.

Auch Manali (2000 Meter über NN.) ist eingeschneit, was die Einheimischen seit 8 Jahren nicht mehr erlebt haben. Der Allradantrieb muss ganze Arbeit leisten und das Passieren anderer Fahrzeuge wird zur Millimeterarbeit. Zweimal landen wir selbst im Schneeloch, und dann hilft nur noch schaufeln. Die Sandbleche haben wir inzwischen zu Schneeblechen umfunktioniert, um uns aus hoffnungslosen Lagen zu befreien. Sehr schweißtreibend!

Sehr schnell beginnen wir, uns nach Tourenski zu erkundigen. Häufig werden wir dabei wie Wesen von einem anderen Stern angesehen, wenn wir unsere Wünsche beschreiben und den Indern erklären, wie eine Tourenbindung und Felle für den Aufstieg aussehen. Nach einigen Versuchen werden wir fündig. Wir kramen in einem Schuppen uralte Tourenski hervor, die sehr schnell mit Sandpapier entrostet sind. Ein paar alte Felle und beinahe (!) passende Skischuhe runden unser Glück ab. Auf geht es in die Berge und die paar Blasen an den Knöcheln sind zu verschmerzen.


Wo geht´s hier zum Gipfel?

Skitour im Solang Valley

Durch den Neuschnee ist alles ziemlich lawinengefährdet, so dass wir unsere Touren sorgfältig planen müssen. Die Verschüttetensuchgeräte liegen leider warm und trocken in Berlin. Der Alpenverein möge uns diese Nachlässigkeit verzeihen. Als wir heute von unserer ersten Skitour zum Auto zurückkommen, erleben wir eine sehr schöne Überraschung. Inder haben die Stoßstange mit einer langen Blumengirlande geschmückt, um uns willkommen zu heißen und viel Glück zu wünschen. Eine sehr nette Geste!

 

Zurück in die Wärme (17.02.2002)

Bei schlechtem Wetter verabschieden wir uns vom Skitourengehen aus Manali. Die Straße nach Spiti ist immer noch geschlossen und ein einheimischer Bergführer will uns in einem der Versorgungsflüge mit dem Armeehubschrauber unterbringen. Falls das möglich ist, werden wir nach Manali zurückkehren. Nun geht es aber erst einmal in südöstlicher Richtung zum Corbett Nationalpark, wo wir einen sehr guten Freund aus Deutschland treffen werden. Er wird unsere 20 Diafilme und 1800 Digitalfotos mit nach Hause nehmen, was uns sehr hilft.

Wie immer sieht die Strecke von 400 Kilometern auf der Karte sehr kurz aus. Wir werden drei volle Tagesetappen dafür benötigen und wieder einmal unsere Nerven arg strapazieren. Diesmal geht es zum größten Teil über Nebenstraßen quer zu den Gebirgszügen des Himalaya. Häufig sind die Straßen so klein, dass sie auf unserer Karte und dem GPS nicht verzeichnet sind. Dann hilft nur noch Fragen. Inzwischen haben wir eine richtige Fragekultur entwickelt, denn wir werden grundsätzlich von den Einheimischen in alle Himmelsrichtungen geschickt. Wenn wir mindestens drei übereinstimmende Richtungsangaben im Abstand von ca. 200 Metern bekommen, fahren wir wirklich in diese Richtung. Eine englische Verständigung ist nicht möglich und die Einheimischen können fast alle nicht lesen, geschweige denn eine Karte verstehen. Das kostet viel Zeit, so dass wir unbeabsichtigt wieder in die Nacht fahren. Hier erleben wir unsere erste mit 80 Zentimetern richtig tiefe Wasserdurchfahrt, da plötzlich die Straße im Nichts verschwindet. Vor uns hatte ein Motorrikschafahrer nicht so viel Glück. Er versenkte sein Gefährt in einer Mischung aus Schlamm und Wasser. Schließlich finden wir in der Dunkelheit ein Quartier, wo wir uns am nächsten Tag erst einmal erkundigen, wo wir uns überhaupt befinden.

Dennoch sind die Landschaftseindrücke während dieser Etappen sehr beeindruckend. Schnell erreichen wir auch die uns gewohnte Temperatur um die dreißig Grad. Statt Heizung ist die Klimaanlage wieder gefordert. Unsere Entdeckungslust lässt auch nicht nach. Wir zweigen in ein ausgetrocknetes Flusstal ab und erreichen nach einigen Kilometern über „Stock und Stein„ ein wirklich ursprüngliches Hüttendorf.


Abzweig ins Flusstal

Schnell tragen die Einwohner bei unserer Ankunft ein Holzbett aus ihrer Hütte. Da sitzen wir nun, und schweigend sitzt uns die gesamte Dorfgemeinschaft gegenüber. Unsere Sprachbemühungen werden mit einem verständnislosen Lächeln quittiert. Immerhin bekommen wir heiße, gesüßte Milch angeboten, was bei diesen Temperaturen eine ganz neue Erfahrung ist. Der Retter in dieser Situation ist unser kleines Fotoalbum mit Bildern aus der Heimat und unseren Familien. Plötzlich ist der Bann gebrochen, denn Bilder sagen wieder einmal mehr als Worte. Zum Schluss trauen wir uns sogar, ein Gruppenfoto zu machen.


Dorfgemeinschaft

Weiter geht es in den landschaftlich sehr schön gelegenen Rajaji Nationalpark. Wir unternehmen eine sehr anspruchsvolle Offroadtour. Nur die Tiere scheinen hier alle im Urlaub zu sein oder sind die vielen Einheimischen in diesem Park vielleicht doch keine Vegetarier?

Corbett Nationalpark (21.02.2002)

Vor dem Eingangstor des Nationalparks finden wir in dem sehr schönen Tiger Camp einen Stellplatz für unser Auto. Es bedarf einiger Überredungskünste, denn normalerweise werden hier Touristenbungalows für sehr viel Geld vermietet. Jetzt ist erst einmal Relaxen und Aufklaren der Ausrüstung angesagt. Das Auto wird von innen geputzt (von außen zwecklos) und Wäsche gewaschen. Wir kommen uns vor, wie bei der Fernsehreklame von Persil mit der unendlich langen Wäscheleine. Auch Kleinreparaturen sind angesagt. Andreas ist eine Füllung aus dem Zahn gebrochen, die Ute mit unserem Zahnreparaturset wieder ersetzt. Auch die vielen Affen finden immer wieder Gefallen an unserer Ausrüstung, und wir müssen alles ständig im Auge behalten. Ein paar Steine in Reichweite sind als Argumentationsverstärker sehr hilfreich.


Wäsche waschen

Beim Buschzahnarzt

Der Besuch im Corbett Nationalpark ist sehr empfehlenswert. Auf knapp 1400 qkm findet man Tiger, Wildelefanten, Sambahirsche, Adler, Eulen, riesige Krokodile, über 600 weitere Vogelarten und vieles mehr. Wenn man der indischen Bürokratie Genüge getan hat, erlebt man hinter dem Eingangstor sehr unterschiedliche Landschaften und Vegetationen. Busch, Berge, Flüsse und weite Graslandschaften wechseln sich ab. Die besten Beobachtungen machen wir in der Morgendämmerung und kurz vor Sonnenuntergang. Wir verbringen einige Tage im Park und unternehmen mit einem obligatorischen Guide sehr schöne Ausfahrten. Nur einmal kommen wir einer Elefantenherde zu nahe.


Nationalparklandschaften

Elefantenherde

Ein Elefant löst sich aus der Gruppe und rennt in einem außerordentlichen Tempo laut trompetend frontal auf unser Auto zu. Nach der Schrecksekunde blieb nur noch die Flucht im Rückwärtsgang. So lange und so schnell sind wir in diesem Gang noch nie gefahren. Immerhin schafft es der Elefant über eine Strecke von 100 Metern bis auf fünf Meter heranzukommen. Der Guide neben uns wurde auch schon ganz blass. Nach diesem Abenteuer verlassen wir schweren Herzens diesen sehr schönen Nationalpark und brechen in Richtung Nainital auf, wo es Gerüchten nach endlich eine Bank geben soll, die Traveller Schecks in Rupees eintauscht.

Auf Pilgerpfaden (04.03.2002)

Nachdem wir in Nainital, einer kolonialen Hillstation, unsere Bargeldvorräte aufgefüllt haben, zieht es uns in die Bergwelt von Uttaranchal oder genauer gesagt in die Region des Kumaon. Die Landschaft ist hier durch sanfte und üppig grün bewachsene Berge mit den dahinter liegenden Eisriesen des Himalaya geprägt. Erstes Ziel ist Kausani (1900m), wo man die beste Aussicht auf eine 350 Kilometer lange Himalayakette mit dem Nanda Devi (7820m) haben soll. Leider empfangen uns dort dichte Wolken, ständige Regenschauer und Gewitter. Sehen kann man hier gerade die Hand vor Augen. Wir warten ein paar Tage und können bei der Abreise einige kurze Blicke dieses beeindruckenden Panoramas erhaschen. Weiter geht es durch die Bergwelt auf sehr abwechslungsreichen Straßen in Richtung Osten. Hier verläuft direkt an der nepalesischen Grenze einer der wichtigsten Pilgerwege in Richtung Tibet zum heiligen Mount Kailash, den wir noch im späteren Verlauf unserer Reise von der chinesischen Seite aus besuchen wollen.


Himalaya

Wir folgen diesem Pilgerweg in Richtung Norden, so lange es auf vier Rädern möglich ist. Die Regenfälle der letzten Tage habe einige Erdrutsche verursacht, die uns kurz vor unserem Ziel, dem Narayan Swami Ashram bei Sosa (2440m) zur Umkehr zwingen. Hier ist der Weg nur noch eine blanke Felswand. Dennoch hat sich die Tour in das chinesisch-nepalesische Grenzgebiet gelohnt.

Namaste India (06.03.2002)

Auf Wiedersehen Indien. Nun waren wir beinahe drei Monate hier und unsere anfängliche Meinung hat sich verstärkt, dass Indien ein sehr interessantes aber auch nicht ganz einfaches Reiseland ist. Durch die Brille eines Europäers betrachtet, versteht man nur einen Bruchteil der gesellschaftlichen Entwicklung und warum einige Dinge heute so sind wie sie sind. Wir kamen mit einer vorurteilsfreien und toleranten Offenheit in dieses Land und wurden nicht enttäuscht. Man darf bei aller Schönheit des Landes, der hoch interessanten Kultur und den größtenteils freundlichen und tief religiös geprägten Menschen die Augen vor den Problemen nicht verschließen.

Oft haben wir uns gefragt, wie dieser Staat überhaupt funktionieren kann. Indien ist mit über einer Milliarde Menschen die größte Demokratie der Welt. Es gibt keine gemeinsame Landessprache, die alle Inder verstehen. Englisch ist zwar offizielle Amtssprache, doch die Verständigung erfolgt in 15 offiziell anerkannten Sprachen. Fast 50 Prozent aller Inder sind Analphabeten und 34 Prozent unter 15 Jahre alt. Man trifft an allen Ecken auf Kinderarbeit und Armut. Nur 4 Prozent aller Inder zahlen Steuern. Die Großstädte sind total verdreckt und die Luftverschmutzung unerträglich. In Dehli atmet man täglich so viel Dreck ein, als würde man 15 Zigaretten rauchen. Die Randgebiete sind von Slums überlaufen. Der Straßenverkehr ist katastrophal und wer hier nicht selbst einmal Auto gefahren ist, kann sich davon kein Bild machen. Die Bürokratie und die damit verbundene Schwerfälligkeit der Angestellten in Banken, Touristenbüros und staatlichen Einrichtungen machen auf uns den Eindruck, dass sie uns lieber nicht helfen, keine Auskunft geben oder uns an eine falsche Stelle schicken, um somit keine Arbeit zu haben. Indien ist auch ein Schmelztiegel aller Weltreligionen. Hier leben mehr Moslems, als in allen arabischen Staaten zusammen. Welche Spannungen im Verborgenen liegen, kann man bei den derzeitigen religiös geprägten Unruhen in Gujarat nur erahnen.

Wir haben uns bewusst all diesen Problemen gestellt und in sehr vielen Gesprächen mit Einheimischen versucht, diese zu verstehen. Dabei haben wir bei den Indern nie eine Unzufriedenheit mit ihrer persönlichen Lebenssituation festgestellt. Sie neiden auch nicht anderen ihren Besitz oder Wohlstand. Jeder findet sich mit seinem Schicksal ab und versucht das Beste für sich und seine Familie daraus zu machen. Wir haben nie eine Klage über die persönlichen Lebensumstände gehört. Und sie scheinen dabei glücklich zu sein. Jedenfalls haben wir hier mehr lachende Menschen auf der Straße getroffen als in Deutschland.

Die Erfahrungen in Indien sind für uns sehr wertvoll und wir werden sicherlich als „normale„ Touristen einmal wiederkommen. Zuviel ist hier noch zu entdecken. Gerne denken wir an die Zeit in Indien zurück und freuen uns auf Nepal. Auch hier werden wir bei aller Schönheit der Natur auf genügend Probleme stoßen.. Mal sehen, was uns erwartet.


Namaste India

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