"Registrazia" überall (01.08.2002)

Mit etwas Wehmut nehmen wie Abschied von Kirgistan, wo uns die liberale Aufbruchstimmung im Land außerordentlich gut gefallen hat und die freundlichen Menschen werden uns noch lange in Erinnerung bleiben. Sogar der Polizist, an dessen Laserpistole wir viel zu schnell vorbeirasen, verabschiedet uns nach einer bargeldlosen Ermahnung per Handschlag und einem Lächeln.

Mit diesem angenehmen Reisegefühl war es schlagartig an der Grenze nach Usbekistan vorbei. Unser erster Versuch, die Seidenstraße von Osch nach Fergana auf der historischen Route zu befahren, endet am Schlagbaum. Zwar gibt es an dieser Stelle einen Grenzübergang, aber dieser kann nur noch von Fußgängern genutzt werden. Die ehemaligen Sowjetrepubliken stehen sich seit 1991 als zwei selbstständige Staaten gegenüberstehen und so fahren wir zurück nach Osch und starten den zweiten Versuch in Richtung Andijan mit größerem Erfolg. Die Ausreise aus Kirgistan ist schnell erledigt. Man hat sogar den Ausreisestempel im Pass vergessen, was uns später bei der Weiterreise und dem ständigen Wechsel zwischen den Staatsgebieten noch sehr helfen wird.

Der Empfang in Usbekistan hat den Charme der ehemaligen DDR-Transitkontrollstellen. Zuerst durchqueren wir ein Desinfektionsbecken, werden anschließend mit einem Detektor auf den zur Zeit wohl sehr verbreiteten Uranschmuggel untersucht und zu guter Letzt von einem verschlafenen Drogenhund beschnuppert. Hier lernen wir auch die Bedeutung des Wortes "Registrazia" kennen, was uns auf Schritt und Tritt in Usbekistan begleiten wird. An den Grenzen, den diversen Kontrollpunkten und an fast jeder Straßenbiegung steht ein Uniformträger, der mehr oder weniger umständlich unsere Pass- und Autodaten in ein dickes Buch einträgt. Das kostet Zeit und Nerven! Bei den diversen Kontrollen denken die Ordnungshüter fast immer, sie seien bei der Fernsehsendung „Wünsch dir was„. Mal fragen sie nach Utes Sonnenbrille oder unseren Uhren oder einfach nur nach ein paar Dollar zur Gehaltsaufbesserung. Dann heißt es: Immer schön freundlich bleiben, nur deutsch reden und keine Andeutungen machen, dass man die Wünsche versteht. Es hilft auch, völlig planlos und mit vielen Gesten über unsere Reiseroute, unsere Familien und unsere vielen Kinder zuhause zu berichten oder notfalls eine abgelaufene Kreditkarte hinzuhalten, wenn die Frage nach den Finanzen kommt. Bisher hatten wir Glück und die Beamten gaben entnervt auf.


Grenzen nerven

Ein besonderes Highlight der Grenzabfertigung ist auch die Zollerklärung in russischer Sprache. Nachdem der Zollbeamte uns sehr unwirsch auffordert, die Formblätter ohne seine Hilfe auf russisch selbst auszufüllen, fangen wir an, nach und nach seinen Vorrat an Formblättern mit völlig sinnlosen Angaben in englischer Sprache zu beschreiben. Auch er gibt nach einiger Zeit entnervt auf und greift selbst zum Stift. Nachdem ein Teil unserer vorzuzählenden Devisen und Traveller-Schecks „zufällig„ unter seiner Zeitung landen, wird diese Aktion zu einem Versteckspiel mit Zaubereinlage.

Und weil wir noch an diesem Tag die wunderschöne usbekische Exklave Shohimardon erreichen wollen, bringen wir es abwechselnd auf insgesamt sieben Grenzkontrollen an kirgisischen und usbekischen Kontrollpunkten. Und immer wieder heißt es "Registrazia". So haben wir genügend Gelegenheit, den besonderen Umgang mit usbekischen Soldaten und Polizisten an diesem Tag bis zur Perfektion zu trainieren.


Registrazia manchmal freundlich

In Shohimardon werden wir für die Grenzstrapazen durch eine sehr schöne Gebirgslandschaft entschädigt. Leider kommt es an dieser Stelle wie auch anderswo im Ferghanatal immer wieder zu Übergriffen von bewaffneten, islamischen Rebellen. Wegen der vermienten Berge rät uns die Armee von einer Trekkingtour ab.


Schönes Shohimardon

"Vom Ferganatal nach Taschkent (05.08.2002)"

Nach einem kurzen Aufenthalt im Gebirgsdorf Sharkhimardan folgen wir dem Lauf der Seidenstrasse durch das Ferganatal. Überall blüht hier die Landwirtschaft, was man an den vielen provisorischen Verkaufsständen am Strassenrand sieht. Die Tomaten haben hier einen Geschmack, den wir mit unseren, durch den heimischen Supermarkt gequälten Gaumen, noch nie erlebt haben. Nach und nach weichen die ökologisch höchst bedenklichen Baumwollmonokulturen einem vielfältigen Obst-, Gemüse- und Getreideanbau.


Baumwollfelder

Wir durchqueren die sehr grüne Stadt Fergana und übernachten auf dem Weg nach Westen in Kokand. Man sieht hier, wie überall im Land, dass die "Errungenschaften" aus sowjetischen Zeiten nach und nach abgeschüttelt werden. Der Supermarkt ist schon lange geschlossen, weil sich traditionell das Marktgeschehen auf dem Basar abspielt und die Rückbesinnung auf alte Grundwerte und Traditionen scheinen im abgeschiedenen Ferganatal auch etwas schneller voran zu schreiten als im übrigen Land.


Strassenleben in Kokand

Über einen schmalen Pass und einige der lästigen Kontrollpunkte verlassen wir das Ferganatal in Richtung Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans, wo wir einige organisatorische Dinge zu erledigen haben. Reiseschecks kann man anscheinend nur hier gegen die Landeswährung Sum eintauschen und unsere Überraschung ist gross, als wir für einige hundert US Dollar einen Geldscheinstapel von über 20 Zentimetern Dicke bekommen. Immerhin hat man uns schon die Banknoten mit dem grössten Wert gegeben, sonst wäre vielleicht unser Rucksack für den Geldtransport zu klein.


Inflation

Nachdem wir die Visa für Turkmenistan in unseren Pässen haben, suchen wir schnell wieder das Weite. Die Polizeidichte pro Quadratmeter übersteigt in dieser Stadt deutlich unsere Toleranzschwelle. Man spürt hautnah, dass Usbekistan noch heute von dem Vorzeigekommunisten Prasident Karimow totalitär geführt wird und unter den GUS-Staaten als "Reservat für Kommunisten" gilt.

Die erhofften historischen Sehenswürdigkeiten der Seidenstrasse sind in Taschkent, selbst mit der Hilfe eines Führers, kaum zu finden. Nach dem Erdbeben im Jahre 1966 hat die sowjetische Zentralregierung die Gunst der Stunde genutzt und Taschkent den im Ostblock allseits bekannten Monomentalbaustil verpasst, obwohl sich damals die Zerstörung der Altstadt in Grenzen hielt. Heute prägen kalte, unnahbare Bauten das Stadtbild.


Modernes Taschkent

Wer sich mit der Geschichte, Kunst und Kultur der Seidenstrasse in Usbekistan befassen möchte, ist ohnehin in Samarkand, Buchara und Chiwa besser aufgehoben und wir können es kaum erwarten diese Städte zu besuchen.

Auf den Spuren von „tausendundeiner Nacht„ (19.08.2002)

„Goldene Stadt, Paradies des Ostens, mittelasiatisches Rom„ – das sind nur einige der Attribute, die man der Stadt Samarkand im Laufe der Geschichte zugedacht hat. Auf den ersten Blick sieht die heutige Wirklichkeit mal wieder ganz anders aus, denn am Stadtrand sehen wir die typischen einförmigen Wohnsilos und Fabriken. Erst in der Altstadt finden wir einen kleinen Teil von dem Samarkand, was wir uns vorgestellt haben. Die alten Stadtmauern und Tore mussten hier leider den Neubauprogrammen genauso weichen, wie die krummen Altstadtgassen. So nehmen wir in Samarkand das wohl übliche Touristenprogramm mit und besichtigen als erstes den Registan, den Prunkplatz des Weltherrschers Timur (1336 - 1405). Ursprünglich war der Registan nichts anderes als ein Marktplatz, auf dem sich das orientalische Leben abspielte. Hier fanden außerdem vor den Augen der neugierigen Menge öffentliche Hinrichtungen, große Paraden und Gesetzesverkündungen statt. Später wurde auf diesem Platz das weltberühmte Ensemble mit drei im rechten Winkel zueinander stehenden Medressen erbaut. In diesen theologischen Hochschulen lernten Studenten in engen Zellen neben Naturwissenschaften auch den Koran.


Registan

Medresse im Registan

Bei unseren Besichtigungen ist Timur allgegenwärtig, denn nach der Zerstörung der Stadt durch Dschingis Khan hat er alles daran gesetzt, Samarkand zu einer Weltmetropole auszubauen. Bauwerke von nie gesehener Größe, Schönheit und Komplexität entstanden.


Mausoleum von Timur

Wir können uns auch inzwischen sehr gut vorstellen, wie bedeutend Samarkand als Handels- und Kulturzentrum der Seidenstraße war. So führte eine Route der Seidenstrasse von hier über Merv, Persien und die Türkei ans Mittelmeer. Die andere Route bog nach Süden ab, überquerte die Pässe des Hindukusch nach Indien. Für uns geht es als Abstecher zunächst weiter Richtung Norden nach Chiwa, einer wunderschönen Wüstenstadt. Der Weg führt uns 400 Kilometer am Rand des Amu – Darja Flusses entlang, der zwischen den Wüsten Karakum und Kysylkum liegt. Das Wasser des Amu-Darja wird seit einigen Jahrzehnten intensiv für die Bewässerung der Baumwollmonokulturen genutzt, was einen großen Anteil an der Austrocknung des nördlich gelegenen Aralsees hat.


Richtung Chiwa

Mit Chiwa finden wir endlich eine Stadt, die unseren Vorstellungen von tausendundeiner Nacht sehr nahe kommt. In der Altstadt Itschan-Kala leben noch heute ca. 300 Menschen hinter alten Festungsmauern in Lehmhäusern. In keiner anderen Stadt Zentralasiens haben wir bisher so viele unverfälscht und unbeschädigt erhaltene Baudenkmäler gesehen und so erleben wir Chiwa als ein Beispiel einer mittelalterlich, islamischen Stadt, die bis heute ihr Flair auch im Alltagsleben erhalten hat. Beinahe 50 islamische Hochschulen (Medressen) zeugen hier von der Blütezeit, als Religion und Wissenschaft dicht beieinander lagen. Chiwa war aber auch das Zentrum des Sklavenhandels in Zentralasien. Auf einem großen Sklavenmarkt am Westtor der Stadtmauer warteten Sklaven aus Asien, Afrika und Europa auf ihre Versteigerung.


Blick auf Chiwa

Altstadt

Stadtmauer

Sklavenmarkt

Der gut erhaltene Palast gibt uns einen Einblick in das damalige Leben. Er besteht aus mehreren Bereichen und eingeschobenen Innenhöfen – Festsaal, Gerichtshof, Harem-, die von einer hohen Mauer umgeben sind. Überall sehen wir die für Chiwa typischen Holzschnitzereien und Ornamente aus glasierten Fliesen. Der größte Innenhof war dem Harem vorbehalten, wo sich die Gemächer des Khans und seiner Frauen befanden. Bis zur Flucht des letzten Emirs im Jahre 1920 lebten hier, abgeschlossen und von Eunuchen bewacht, Frauen und Kinder verschiedener Nationalitäten.


Haremshof im Palast

Typische Ornamente

Wir fahren jetzt wieder Richtung Süden – zurück nach Buchara – unserer letzten Station in Usbekistan.


Blick auf Buchara

In Europa kennt man Buchara vor allem aus Märchen und orientalischen Schriften. Buchara ist die Stadt der Moscheen, Medressen und des Kunsthandwerks mit einer Altstadt, die auf Anhieb sympathisch wirkt. Viele Kunstwerkstätten stellen schmiedeeiserne Geräte oder die berühmten, mit Goldfäden bestickte Teppiche her. Wir beschließen spontan, auch unsere Autovorhänge mit dem Minarett Kalan, dem Wahrzeichen von Buchara, mit Goldfäden besticken zu lassen.


Kuppelbasar

Stickerei

Dieses 50 Meter hohe Minarett diente bis ins 20 Jh. auch als Richtstätte für zum Tode Verurteilte. Die Art der Hinrichtung bestand darin, die Verurteilten in einen Sack zu stecken, diesen auf das Minarett zu bringen und dann samt Inhalt abzuwerfen. Welche Grausamkeiten damals an der Tagesordnung waren, kann man heute kaum glauben, wenn man diese prachtvollen Bauwerke sieht. Noch vor 150 Jahren war Buchara für Ausländer gesperrt. Illegales Eindringen hatte den Tod zur Folge. Nur ein paar Kaufleute, Botschafter, sowie englische „Kundschafter„ besuchten Buchara und blieben am Leben. Andere wurden vom Minarett geworfen, starben am Pfahl, oder endeten im Zidan, einem schwarzen Loch, wo der Emir seine Opfer einer besonderen Art von fleischfressenden Ungeziefer überließ. Der Zidan von heute kommt in Form von vielen offenen Gullydeckeln daher. Wer nicht ständig nach unten guckt, verschwindet in der städtischen Kanalisation. Diese Gefahr ist übrigens keine Spezialität von Buchara, sondern verfolgt uns schon seit China.


Achtung Gully

Voll von kulturhistorischen Eindrücken verlassen wir Buchara und folgen der Seidenstraße westwärts in Richtung Turkmenistan. Neues Land, neues Glück....

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