Im Königreich der Haschemiten (03.11.2002)

Als wir die jordanische Grenze bei Al Mustaba erreichen, sind wir sehr gespannt auf dieses kleine Land am Jordantal, in dem schon seit Urzeiten Menschheitsgeschichte geschrieben wird. Heute haben wir eher die Berichte der Tagespresse über den Nahostkonflikt im Kopf, für deren Hintergründe wir bei unserem Besuch ebenfalls ein Gefühl entwickeln wollen. Alles fängt mit einer inzwischen für uns zur Routine gewordenen Grenzabfertigung an. Auch in Jordanien ist eine Zwangsversicherung für das Auto abzuschließen; aber zum Glück gibt es keine Dieselsteuer wie in Syrien. Die Abfertigung ist schnell und freundlich. Wie so oft wird das Auto keines Blickes gewürdigt, wenn die Papiere in Ordnung sind.

Zunächst fahren wir in die Hauptstadt Amman, wo wir auf dem riesigen, sehr schönen Gelände der Theodor-Schneller-Schule, einem Selbsthilfeprojekt für Waisen, unser Camp aufschlagen - absolut empfehlenswert und die paar Dinar sind für einen guten Zweck. Die Tage in Amman nutzen wir in erster Linie für Organisationsangelegenheiten. Zuerst muss das Visum bei der Polizei registriert werden, weil wir länger als 14 Tage im Land bleiben wollen. Anschließend besuchen wir die libysche Botschaft, um für unsere Weiterreise über Ägypten die Transitvisa nach Tunesien zu beantragen. Der dortige Konsul eröffnet uns sehr zu unserer Überraschung, dass wir ohne eine besondere Genehmigung aus Tripolis keine Visa bekommen können und er uns bei dieser Genehmigung nicht unterstützen kann (oder möchte). Der Weg führt nur über lizenzierte libysche Reiseveranstalter, die uns einen unverbindlichen Preis von 500 bis 800 USD für ihre Bemühungen nennen. Für einen kurzen Transit von ein paar Tagen etwas teuer! Ein befreundeter Bundestagsabgeordneter versucht uns daraufhin mit einem Schreiben an den libyschen Botschafter in Deutschland zu helfen - das Ergebnis ist noch offen. Da die Fähre von Haifa (Israel) nach Piräus wegen der Sicherheitslage eingestellt wurde, würde uns als Alternative nur die Umrundung des Mittelmeeres über die Türkei bleiben. Unser Besuch bei der irakischen Botschaft bringt uns auch nicht viel weiter. Der Visaantrag aus Teheran ist nach über vier Wochen immer noch nicht bearbeitet; allerdings verweist man uns an einen Kontaktmann von Iraq Airlines, der innerhalb von wenigen Tagen Gruppenvisa besorgen kann. Der Haken bei der Sache ist, dass mindestens fünf Personen dieser Gruppe angehören müssen, die auch tatsächlich gemeinsam einreisen. Jordanier zählen hierbei nicht mit, sonst könnten wir ja jemanden von der Straße anheuern. Da wir bisher keine Gleichgesinnten finden konnten, wird dieser sehr interessante Teil der Seidenstrasse für uns leider im Verborgen bleiben. Wir verlassen Amman nicht gerade in Hochstimmung, um uns den Highlights des Landes zu widmen.

Archimedes lässt grüßen

Nachdem wir im Frühjahr dem Mount Everest (8848m) als höchsten Punkt der Erde sehr nahe waren, ist der Besuch des mit 390 Metern unter dem Meeresspiegel liegenden Toten Meeres als tiefsten Punkt ein besonderes Erlebnis. Der Salzgehalt von 33 Prozent verursacht beim Schwimmen einen Auftrieb, der jede Bewegung im Wasser überflüssig macht. Ertrinken ist nahezu unmöglich und das physikalische Gesetz des Archimedes können wir am eigenen Leib spüren.


Im Toten Meer

Biblische Orte

Schon die vielen Hinweisschilder am Straßenrand zeigen uns an, dass man sich hier im Jordantal im Zentrum der biblischen Geschichte befindet. Die Umstände für einen Besuch dieser Orte sind leider etwas schwierig. Der Taufplatz von Jesus liegt mitten im militärischen Sperrgebiet und ist nur mit einem Führer und einem besonderen Kleinbus zu erreichen. Die Stimmung, die heute von diesem Ort ausgeht, ist von Stacheldraht, Wachtürmen und Maschinengewehren geprägt. Der Jordan der hier als Grenzfluss das Tote Meer erreicht ist eher ein Bächlein, denn zuviel Wasser wurde schon vorher abgezweigt.


Taufplatz von Jesus

schmaler Jordan

Wir ziehen uns zur Übernachtung auf den Berg Nebo (802 m) zurück, die Stelle, an der die Israeliten unter der Führung Moses das erste Mal auf ihr neues, gelobtes Land blicken durften. In der Dunkelheit sieht man von unserem Camp die Lichter von Jericho und Jerusalem im Westjordanland. Ein bedrückendes Gefühl, als wir im gleichen Moment aus unserem Kurzwellenempfänger die Nachricht empfangen, dass quasi unter unseren Augen wieder eine Bombe hochgegangen ist und dabei drei Menschen getötet wurden.

Auf dem Königsweg nach Süden

Seit mehr als 3000 Jahren wurde diese landschaftlich sehr reizvolle Straße von Handelskaravanen, Armeen und Pilgern zwischen Damaskus, dem Mittelmeerraum und der arabischen Halbinsel genutzt. Der vermeintlich einfachere Weg am Wüstenrand entlang (dem heutigen Desert Highway) wurde wegen der räuberischen Beduinenstämme und der Wasserknappheit gemieden. Auch wir folgen dieser knapp 400 Kilometer langen Strecke in einem ständigen Auf und Ab durch die grünen Waditäler, die quer zu unserer Route liegen.

Mineralwasserdusche

Gleich bei Madaba wartet ein besonderes Naturschauspiel auf uns. In Hammamat Ma’in entspringen etwa 50 heiße Quellen, die dann kaskadenförmig die Felswand hinabfließen; wir genießen die warme Mineralwasserdusche aus 25 Metern Höhe. Ein tolles Erlebnis, wenn man sich die visuelle Umweltverschmutzung in Form eines gigantischen, völlig überdimensionierten Luxushotels in diesem traumhaften Tal wegdenkt. Der sanfte Tourismus findet an manchen Orten leider nur auf dem Papier statt. Obwohl Platz in Hülle und Fülle da ist, verbietet man uns (auch gegen Geld) unser Camp hier aufzuschlagen und wir verbringen die Nacht ziemlich sicher am Stacheldrahtzaun einer Polizeistation.


Heißer Wasserfall

In Kerak besuchen wir die Ruinen einer Kreuzritterburg, deren Besichtigung aber nur lohnt, wenn man nicht die Gelegenheit hatte, die wesentlich besser erhaltenen Burgen in Syrien zu besuchen. Auch die vielen kleineren Ausgrabungsstätten entlang der Königsstrasse sind sicherlich einen Besuch wert, wenn man die nötige Zeit dafür mitbringt. Um unserem „Säulen- und Ruinensyndrom„ entgegenzuwirken, besuchen wir erst einmal die Naturschönheiten neben unserer Route.

Wadi Dana

Leider werden wir am Tor zum Dana Nature Reserve abgewiesen. Das dortige Camp darf man ausschließlich mit einem Pendelbus erreichen und das Auto auf einem unbewachten Parkplatz in der freien Natur abstellen. Wir sind zwar gutgläubige Leute aber diese Variante ist uns doch etwas zu unsicher. Zum Glück - denn nach einigem Suchen haben wir am Rand des Wadi einen traumhaften Übernachtungsplatz mit direkter Aussicht in das Tal gefunden. Wir genießen den Sonnenuntergang, während es im offiziellen Camp auf dem Grund des Wadi schon längst dunkel ist. Am Morgen finden wir uns über den Wolken wieder aber das herannahenden Gewitter treibt uns zur Eile, unser Dachzelt noch im Trockenen abzubauen.


Camp in Dana

Abendstimmung in Dana

Morgenstimmung im Wadi Dana

Die Nabatäerstadt Petra

Der Name Petra kommt aus dem griechischem und heißt Fels und um nichts anderes handelt es sich, wenn man die Stadt Petra besucht. Wir finden reine Felsarchitektur mit schönen Fassaden vor. Petra ist das Vermächtnis der Nabatäer, ein geschäftiger arabischer Volksstamm, der sich vor mehr als 2000 Jahren im Süden Jordaniens ansiedelte, um die Handelrouten und den Warenaustausch von Weihrauch, Gewürzen aber auch Seide aus China zu kontrollieren. Sie erhoben Wegzölle und beschützten die Karawanen. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht erstreckte sich das Nabatäer-Königreich bis Damaskus und schloss Teile der Sinai- und die Negevwüste ein. Wegen seiner hochentwickelten Kultur, seiner großartigen Architektur und seines genialen Damm- und Kanalsystems zur Wasserversorgung genoss die geheimnisvolle und sehr versteckt gelegene Hauptstadt Petra überall hohes Ansehen. 106 n. Chr. annektierten die Römer das Königreich, das langsam an Bedeutung verlor und im 16 Jht. für die westliche Welt gänzlich in Vergessenheit geriet. Erst 1812 entdeckte es der Schweizer Johann Burckhart wieder. Mit den Ausgrabungen wurde jedoch erst über hundert Jahre später begonnen. Heute hat man durch Grabungen weniger als 1% von Petra freigelegt. Das ist bei der Größe und dem was man zu sehen bekommt kaum zu glauben. Überwacht wird das Gelände von der Beduinenpolizei, die den Touristen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung steht.


Petra

Beduinenpolizei

Der Zugang in die Stadt verläuft durch eine sehr enge, nur wenige Meter breite Schlucht (Siq) mit teilweise über 100 Metern hohen Felswänden aus farbigen Sandstein. Am Ende der Schlucht blinzelt uns durch einen schmalen Felsspalt das Schatzhaus mit seiner riesigen Fassade entgegen, die aus einem Stück in den in den roten Sandstein gemeißelt wurde. Wir gehen wie alle Touristen den Siq weiter an diversen kleinen und großen Felsgräbern vorbei bis zum Amphitheater. Eine ursprüngliche Sandsteintreppe führt uns dann auf die Felsspitze zu einer Opferstelle. Von hier genießen wir den tollen Ausblick auf Petra, wo Tempel, Klöster, Gräber in den rosaroten Stein gemeißelt wurden. Wir erkennen Straßen, ehemalige Wohnhäuser und Unmengen von Schutt, wo sicher noch viele Geheimnisse der Vergangenheit verborgen sind. Unseren Weg setzen wir noch bis zu dem Tempel der Pharaonentochter fort, trinken den teuersten Tee unserer Reise und kehren um.


Geheimnisvolles Petra

Schatzhaus von Petra

Farbenspiel

Beduine auf Esel

Bei einer weiteren Exkursion durch einen Wassertunnel der Nabatäer und einem anschließenden Wadi wandern wir abseits der ausgetretenen Touristenpfade. Mit etwas Mühe kann man auch hier in Petra völlig einsame und sehr schöne Plätze finden, um sich von dem Jahrmarkt ähnlichen Treiben mit Reitkamelen, Eseln, Pferdewagen und den unzähligen Händlern zu erholen.


Wadiwanderung nach Petra

Wadilandschaft bei Petra

Wadilandschaft bei Petra

Fassade aus einem Stück

Auf den Spuren von Lawrence of Arabia

Die Weiterfahrt nach Süden fängt schon in Petra mit einer Überraschung an. Die einzige Tankstelle ist „trocken„ aber zum Glück haben wir noch ein paar Liter im Tank, um bis nach Ma´an zu kommen. Dort zeigt man uns im Stadtzentrum sehr deutlich, dass wir als westliche Touristen nicht überall willkommen sind und bewirft unser Auto mit Tomaten. Später erfahren wir, dass Ma´an im Moment ein „heißes Pflaster„ ist, wo es in den letzten Tagen immer wieder zu Schießereien gekommen ist. Man geht in Jordanien allerdings mit diesen Informationen nicht allzu offensiv um, damit der ohnehin schon beeinträchtigte Tourismus nicht weiter gefährdet wird. Wir verlassen die Stadt fluchtartig.

Kurz vor Aqaba erreichen wir die einzigartige Wüstenlandschaft des Wadi Rum, wo Lawrenz von Arabien und seine arabischen Mitstreiter zu Beginn des letzten Jahrhunderts im Auftrag der Briten mit der türkischen Arme „Katz und Maus„ spielten. Die unübersichtliche und sehr schroffe Landschaft stellt auch uns auf die (Navigations-)probe. Unsere sehr schlechte Karte kann nur als Anhaltspunkt dienen und wir sind wieder einmal froh, ein GPS im Auto zu haben. Mit 80 Liter Wasser und aufgefüllten Lebensmittelvorräten starten wir zu drei unbeschreiblich schönen Tagen in diese einzigartige Landschaft.


Wadi Rum

Wadi Rum

Wadi Rum

Hier erreicht uns auch die sehr positive Nachricht des libyschen Botschafters in Deutschland, dass wir in Kairo ausnahmsweise ein Transitvisum für Libyen erhalten können, so dass wir die Tage im Wadi Rum ohne größere Sorgen über die weitere Reiseroute mit einigen Wanderungen verbringen können.


Burdah Bridge

Die letzte Nacht verbringen wir mitten in der Wüste direkt an der Strecke des Desert Cup, eines 168 Kilometer langen Ultramarathons. 231 Läufer haben sich in diesem Jahr der Herausforderung gestellt und für Ute als Marathonläuferin ist es eine persönliche Pflicht, die einsam in der Wüste laufenden Sportler anzufeuern. Anders als beim Berlin Marathon stehen sich hier nachts um zwei Uhr Läufer und Fan im Verhältnis eins zu eins gegenüber, wobei die Läufer uns an dieser Stelle in der Wüste eher als eine Fata Morgana angesehen haben. Die Spitzenzeit für 168 Kilometer durch weichen Wüstensand lag übrigens bei 18 Stunden und 35 Minuten.


Wüstenmarathon

Leider scheinen die Tage des Wadi Rum als Offroad Paradies gezählt zu sein. Planungen sehen kurzfristig eine Führerpflicht und eine Verbannung von Fremdfahrzeugen aus diesem Nationalpark vor.

Für die Weiterfahrt nach Aqaba wählen wir die Wüstenpiste, die nach knapp 50 Kilometern abrupt am Golf von Aqaba endet, wo wir direkt am Strand einige Tage bei den prächtigen (und nahezu unzerstörten) Korallenriffen verbringen. Welch ein Gegensatz, wenn man aus der Wüstenlandschaft kommend in diese bunte Unterwasserwelt eintaucht. Hier treffen wir auch viele andere Traveller, die über Ägypten und den Sudan auf der Ostroute nach Südafrika weiterreisen wollen. Auch wir müssen von Aqaba die Fähre nach Nuweiba in Ägypten nehmen, obwohl eine weniger lange Fahrt über die Küstenstraße durch Israel viel kürzer (und billiger) ist. Mit den Stempeln der israelisch/ägyptischen Grenze in den Pässen, wäre uns jedoch die Einreise nach Libyen oder die Rückkehr nach Syrien verwehrt.


Aqaba

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