Zu Gast in Syrien (20.10.2002)

Schweren Herzens verabschieden wir uns von der wunderschönen Osttürkei, wo wir eigentlich nur schnell durchreisen wollten und dann doch fast eine Woche geblieben sind. Wir sind uns einig, dass es im kurdischen Teil der Türkei noch einige landschaftlich und kulturhistorisch Dinge zu entdecken gibt. Doch unser nächstes Ziel ist Syrien und langsam müssen wir auch auf den immer dünner werdenden Abreißkalender in unserem Auto achten, um rechtzeitig zu Hause anzukommen.

Wir verlassen die Türkei an dem kleinen Grenzübergang südlich von Kilis. Die Abfertigung an der türkischen Grenze dauert genau 10 Minuten, da wir das einzige Auto weit und breit sind. Dafür gestaltet sich das Prozedere bei der Einreise nach Syrien als sehr zäh. Wir hatten schon gehört, dass hier die unmotiviertesten und unfreundlichsten Beamten ganz Syriens tätig sind. Und das können wir auch bestätigen. So lümmelt sich ein Beamter, der unsere Papiere kontrolliert, auf seinem Sofa herum und macht sich dann erst einmal zum Lunch aus dem Staub, was uns eine zusätzliche Wartezeit von 45 Minuten verschafft. Für unser Auto kommen wir in Syrien nicht um die Dieselausgleichsabgabe herum, so dass wir für 14 Tage, die wir im Land bleiben wollen, satte 220 USD bezahlen müssen und unsere weltweit gültige Autoversicherung will man auch nicht anerkennen - macht zusätzlich 28 Dollar für eine Haftpflichtversicherung mit zweifelhafter Deckungssumme. Diese „Nebenkosten„ machen Syrien für uns zum teuersten Land, was die Dieselpreise betrifft.

In Aleppo beziehen wir auf Vermittlung von Munkari Kutayba, dem Präsidenten des deutsch-syrischen Freundschaftsvereins, eine wunderschöne Wohnung. Wir genießen den vollen „Familienanschluss„ und die wirklich ehrliche Gastfreundschaft. Viele Gespräche, auch mit einem ehemaligen Regierungsmitglied Syriens, lassen einen sehr interessanten Blick hinter die Kulissen dieses Landes zu.


Zu Hause in Aleppo

Aleppo ist aber auch ein wichtiger Abschlusspunkt der Seidenstraße, wobei sich ein Nebenweg bis nach Istanbul und ein weiterer in Richtung Süden bis nach Alexandria fortsetzt. Auch heute noch spielt die zweitgrößte Stadt Syriens eine wichtige Rolle als wirtschaftliches Handelszentrum. Wir bleiben drei Tage in Aleppo und besichtigen die Zitadelle, die zum Schutz der Stadt auf einem 40 Meter hohen Berg erbaut wurde. Obwohl wir auf unserer Reise schon viele Basare gesehen haben, ist der mittelalterliche Souq von Aleppo absolut ursprünglich und wir verweilen in dem überdachten Labyrinth einige Stunden. Entspannen kann man sich dann in einem der vielen Badehäuser (Hammam), wo man abgeseift und massiert wird sowie in der Dampfsauna schwitzen kann. Die Hammam sind nicht nur Zweckbauten, sondern kleine architektonische Kunstwerke.


Zitadelle

Getränkeverkäufer

Hammam

In der Umgebung von Aleppo besichtigen wir einige Ruinen der über 600 Geisterstädte aus der byzantinischen Zeit, die ohne nennenswerte Zerstörungen verlassen wurden. Noch heute rätseln die Wissenschaftler, warum es zu dieser umfassenden Stadtflucht gekommen ist. War es die Veränderung von Handelsrouten (über die Seidenstrasse), wie eine Theorie behauptet?


Basilika Qala´at Samaan

Geisterstadt

Unser weiterer Weg führt uns die nächsten Tage entlang des Euphrat-Tales, mit seinen eindrucksvollen historischen Spuren der Seidenstrasse. Obwohl nach den letzten zehn Monaten unsere Aufnahmekapazität für kulturhistorische Ereignisse und Bauwerke nahezu erschöpft ist, setzen wir hier in Syrien zum Endspurt an. Zuerst erreichen wir den Wüstenort Rafasa, wo wir in den Ruinen des Forts sehr stilgerecht an der Basilika übernachten dürfen.


Camp im Wüstenfort

Kurz vor der irakischen Grenze erreichen wir die Ausgrabungsstätte von Mari, einst eine wichtige Handelsstadt zwischen Syrien und Mesopotamien. Die Ruinen von Dura Europos, ein großes hellenistisch-romanisches Fort mit Blick auf den Euphrat, laden uns zum Bleiben ein. Und da der Blick von den Klippen am schönsten ist, schlagen wir hier für heute unser Camp auf. Doch diese exponierte Stelle soll sich rächen, denn es setzt nachts ein heftiger Sturm ein und wir werden in unserem Dachzelt ziemlich durchgeschüttelt und das Auto etwas „sandgestrahlt„.

Vom Euphrat-Tal geht es quer durch die syrische Wüste. Weil wir endlich wieder weichen Sand unter unseren Reifen spüren wollen, kürzen wir den Weg zum Wüstenfort Qasr al-Heir ash Sharqi (8. Jh.) ab und verlassen die Hauptstrasse. Die Navigation mit dem GPS ist nicht ganz einfach, da unsere Karte ungenau ist und die Sicht wegen des Sandes in der Luft nur einige hundert Meter beträgt. Die Freude ist groß, als wir die Ruinen im Dunst tatsächlich finden.


Orientierungsfahrt zum Wüstenfort

Unser eigentliches Tagesziel ist jedoch die Oasenstadt Palmyra, die wie eine Fata Morgana im Wüstensand auftaucht. Eine Unzahl von grandiosen Ruinen erzählen von der einstigen Größe dieser Metropole, die im 3 Jh. n. Chr. von der Königin Zenobia regiert wurde. Wir lassen uns von unserem Stellplatz direkt an den Ausgrabungsstädten in den Bann dieser Zeit ziehen und bleiben drei Tage. Wir haben auf verschiedenen Reisen schon sehr viele historische Orte besichtigt. Palmyra gehört mit Sicherheit zu den Top Ten.


Palmyra 1

Palmyra 2

Unsere Tour durch Syrien schließen wir mit einem Besuch der Kreuzritterburg Krak des Chevaliers ab. Diese Burg wurde, wie viele weitere, im Jahr 1099 von den Kreuzrittern zum Schutz auf der Route nach Jerusalem errichtet und erst im Jahr 1271 aufgegeben. Damals gingen von den Kreurrittern sehr viele Grausamkeiten gegenüber der Landbevölkerung aus, die das friedliche Zusammenleben zwischen Christen und Moslems in dieser Gegend nicht gerade gefördert haben.


Kreuzritterburg 1

Kreuzritterburg 2

Kurz vor der Ausreise nach Jordanien bei Der’a besuchen wir noch eines der schönsten römischen Theater in Basra, dass in eine sehr gut erhaltene Altstadt eingebettet ist.


Basra

Wir sind sicher, dass es in Syrien noch sehr viel mehr zu entdecken gibt, als wir in der kurzen Zeit gesehen haben. Man wird an jeder Stelle dieses Landes nicht nur mit einer unglaublichen und ehrlich gemeinten Gastfreundschaft überhäuft, sondern findet auch überall Reste einer bedeutenden Entwicklung aller Epochen der Menschheitsgeschichte.

Nicht eine einzige Polizeikontrolle hat uns gestoppt und die Staatsgewalt haben wir nur von einer sehr angenehmen Seite erlebt. Wir haben uns, auch bei unseren etwas ungewöhnlichen Lagerplätzen, immer sicher gefühlt.

Etwas gestört hat uns der viele Plastikmüll entlang der Strassen und Ortschaften, wie wir ihn letztmals in Indien erlebt haben. Es ist schwer vorstellbar, dass man sich bei diesem Müll im unmittelbaren Lebensumfeld wirklich wohl fühlen kann.

Überall haben wir in Syrien die Sorge gespürt, dass es im Nachbarland Irak zu einem Krieg kommen könnte und dass der sich langsam entwickelnde Tourismus dann einen herben Rückschlag erhielte. Wir hoffen zusammen mit der syrischen Bevölkerung, dass die Zukunft friedvoll verläuft.


Granatäpfel

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